Zur Geschichte - Das Landwirtschaftliche Hauptfest von 1818 in Wandel der Zeit: Ursache – Gründung – Wirkungen

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Zeittafel

Ursachen und Anstöße für die Gründung des Landwirtschaftlichen Hauptfestes

1816/1817 Seit 1811 und insbesondere in den Jahren 1815 und 1816 war aufgrund von Naturkatastrophen eine Fehlernte der anderen gefolgt. Hinzu kamen laufend Getreidelieferungen an fremde Truppen. Die Folge war eine 10- bis 15-fache Teuerung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und eine große Hungersnot.
30.10.1816

König Wilhelm I. von Württemberg trat die Regierung an. Gleich in den ersten Wochen und Monaten ergriff der Monarch bedeutsame handels- und wirtschaftspolitische Maßnahmen, die als die Ursprünge der landwirtschaftlichen Förderung gelten:
- Neuregelung des Getreidehandels (08.11.1816) - der Staat kaufte ausländisches Getreide auf und gab es billiger ab
- Bestandsaufnahme aller Vorräte (10.06. und 16.06.1817)
- Aufbau eines vorbildlichen öffentlichen Wohlfahrtswesens wie z. B. Gründung eines Wohltätigkeitsvereins für Notleidende (07.01.1817), Freiwillige Hilfskasse (11.06.1817), Gründung der Württembergischen Sparkasse (12.05.1818), Errichtung der Staatlichen Armenkommission (1818) und Örtlicher Hilfskassen (1823)

Noch 1817 wurde von König Wilhelm I. per Edikt eine Reihe von Bauernentlastungen verfügt:
- die entschädigungslose Aufhebung der persönlichen Leibeigenschaft
- die Umwandlung von Erblehen in freie Zinsgüter
- die vertragliche Ablösung von Feudalleistungen im Rahmen der Grundherrschaft

Seine Frau Katharina Pawlowna, Königin von Württemberg, dachte in die gleiche Richtung und gab wertvolle Impulse.

Mai 1817 Beschluss des Königs, auf der Domäne (Landgut) Denkendorf eine Bildungsanstalt für junge Landwirte zu errichten.
30.06.1817 Gründung der „Centralstelle des Landwirthschaftlichen Vereins“ als staatliche Oberbehörde über die zu gründenden landwirtschaftlichen Vereine und als Träger und Ausrichter des Landwirtschaftsfestes.
01.08.1817 Aufforderung zur Gründung eines „Vereins zur Belebung und Verbreitung der landwirtschaftlichen Industrie“, kurz Landwirtschaftlicher Verein genannt.
23.09.1817 Stiftung der Preise für die besten Produkte der Landesviehzucht und Stiftung des Landwirtschaftlichen Festes in Cannstatt.
25.03.1818 Bekanntmachung von Preisaufgaben der „Zentralstelle des Landwirtschaftlichen Vereins“. Gründung der Stiftung der „Industrie- und Kulturpreise“ durch Königin Katharina für technisch-mechanische, technisch-chemische und landwirtschaftliche Neuerungen.

Die Gründung des Landwirtschaftlichen Hauptfestes

26.05.1818 „Bekanntmachung eines jährlich am 28. September zu Kannstadt abzuhaltenden landwirthschaftlichen Festes“, bestehend aus Viehprämierung für die Tiergattungen Pferde, Rinder, Schafe und Schweine, verbunden damit ein Pferderennen, Viehmarkt und Volksfest.
31.07.1818 Bekanntmachung von der Stiftung zweier Preise zur Förderung der Obstbaumzucht durch Königin Katharina.
21.08.1818 Bekanntmachung von der Errichtung des Landwirtschaftlichen Instituts als Versuchs- und Unterrichtsanstalt auf der Domäne (Landgut) Hohenheim zur Ausbildung praktischer Landwirte, verbunden mit einer Musterwirtschaft, Forstlehranstalt, Ackerbauschule und Ackergerätefabrik. Am 20.11.1818 wurde diese Anstalt mit einer feierlichen Ansprache von Joh. Nepomuk Schwerz eröffnet. Diese zunächst kleine Anstalt sollte sich zum Motor der landwirtschaftlichen Innovation in Württemberg wandeln: 1847 Akademie, 1904 Landwirtschaftliche Hochschule, 1967 Universität. Die Hohenheimer Professoren wirkten im Landwirtschaftlichen Verein und in dem von der Zentralstelle herausgegebenen „Correspondenzblatt des Württembergischen Landwirtschaftlichen Vereins“ mit; ebenso waren sie an der erfolgreichen Durchführung des Landwirtschaftlichen Hauptfestes beteiligt, z. B. Ausstellung der Hohenheimer Pflüge, 1841 der sogenannte „Goldene Pflug.“
1818 Am 28. September wurde erstmals das Landwirtschaftliche Hauptfest mit rund 30.000 Besuchern gefeiert.

Die Wirkungen des Landwirtschaftlichen Hauptfestes

1837          Der Cannstatter Ochsenwirt Kübler stellte vermutlich das erste Festzelt auf dem Festgelände „Cannstatter Wasen“ auf. Neben Wein gab es Ulmer Lagerbier.
1841 Der Festzug ging in die Geschichte ein. Anlass war das 25-jährige Regierungsjubiläum von König Wilhelm I.
1842 Tagung der Deutschen Land- und Forstwirte.
1846 Erstes Volksfest mit Eisenbahn: zwischen Cannstatt und Esslingen verkehrten jeweils 8 Züge. In drei Tagen wurden 6.560 Maß Bier ausgeschenkt. Die Besucherzahlen wurden in den folgenden Jahren durch den Eisenbahnbau deutlich erhöht.
1851 Ein Hochwasser spülte die Volksfestzelte weg. Das Fest musste ausfallen.
1857 Kaisertreffen beim Landwirtschaftlichen Volksfest: Kaiser Napoleon III., König Wilhelm I. und Zar Alexander II. von Russland auf dem Cannstatter Wasen.
1858 In Verbindung mit dem Landwirtschaftlichen Volksfest fand eine sogenannte ,,Fortschrittsausstellung“ im Kursaal von Cannstatt statt. Initiator war Ferdinand von Steinbeis. Dies war der Ausgangspunkt der württembergischen Veredelungsindustrie.
1860 Die Traktorenfabrik Lanz aus Mannheim stellte im Kursaal moderne Landmaschinen aus.
1861 Der 80. Geburtstag von König Wilhelm I. wurde besonders glanzvoll gefeiert.
1862 Die Eisenbahn beförderte das Vieh kostenlos.
1869 Es gab eine Maschinenausstellung auf dem Volksfest.
1876 Kaiser Wilhelm I., Kaiserin Augusta und der Großherzog von Baden besuchten gemeinsam das Volksfest.
1877 Zusammen mit dem Volksfest fand die Ausstellung der „Centralstelle des Landwirthschaftlichen Vereins“ im Großen Kursaal statt.
1878 In Verbindung mit dem Volksfest fand eine Landes-Rindviehausstellung statt.
1880 In Verbindung mit dem Volksfest fand eine Obstbauausstellung statt. Bis 1882 hatte man das Landwirtschaftliche Fest und das Volksfest zusammen gefeiert.
1890 Bei herrlichstem Wetter fand nur ein dreitägiges Volksfest mit Kreis-Rindvieh-Ausstellung statt.
1903 Sonderausstellung „Landwirtschaftliches Bauwesen“.
1905 Die Vereinigung der beiden Städte Stuttgart und Cannstatt brachte die wünschenswerte Verbesserung des Festplatzes. Wegen der Landwirtschaftlichen Ausstellung in München war das Hauptfest ausgefallen. Eine Militär-Brieftaubenausstellung fand statt.
1907 Das Volksfest wurde vergrößert und es wurden mehrere Pferderennen in verschiedenen Klassen durchgeführt.
1908 Zusammenlegung mit der Wanderausstellung der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft).
1911 Nach längerer Zeit gab es wieder ein Bauernrennen und Galopprennen für schwere Gebrauchspferde. Corso feiert „150 Jahre Fuhrwesen“.
1913 Es fand das letztes Hauptfest und Volksfest mit seinen Viehprämierungen und der Verleihung der landwirtschaftlichen Preise im früheren Königreich Württemberg statt.
1924 Erstes Volksfest nach dem Weltkrieg. Es gab aber nur eine kleine landwirtschaftliche Ausstellung mit Schaugarten der württembergischen Baumschulbesitzer. Die Schausteller klagten über hohe Pachtgebühr.
1925 Zusammenlegung mit der Wanderausstellung der DLG.
1927 „Das Volksfest bekommt mehr Kultur“: der erste „richtige“ Volksfest-Umzug fand statt.
1930 Eine Industrie- und Gewerbeausstellung sowie die Landes-Milchschau wurden durchgeführt. Die Landwirtschaftliche Ausstellung stand unter dem Motto „Kampf um den Absatzmarkt“. Das Volksfestmotto lautete: „Vergiß Deine Sorgen“.
1931 Wurstbratereien waren „ein Zeichen der Not“. Es wurde ein Reitturnier durchgeführt und als besondere Attraktion gab es ein Riesenkrokodil, 500 Jahre alt, mit 30 lebenden Jungen.
1932 Besondere Attraktionen: ein 8,5 Meter langer präparierter Wal, ein Kalb mit zwei Rücken und sechs Beinen, die Verwandlung eines lebenden Herren in einen lebenden Gockel und eine „richtige Menschenfresserfamilie“.
1952 Es fand ein Reit- und Fahrturnier statt.
1953 Durchführung eines Reit- und Springturniers.
1954 Erstmals gab es nach dem Krieg wieder ein Landwirtschaftliches Hauptfest: „In der Jungen Geschichte des Bundeslandes Baden-Württemberg zeigt seine Landwirtschaft zum ersten Mal bei dieser großen Schau die Kraft und die Vielseitigkeit ihrer Leistung“ (Ministerpräsident Gebhardt Müller).
1957 „Was sich In einer geradezu verwirrenden Mannigfaltigkeit dem Beschauer zeigt, ist der Ausdruck der außerordentlichen Umwälzung, in der sich unsere Landwirtschaft seit einigen Jahren befindet.“
1959 Es fanden die Württembergischen Reitmeisterschaften statt. Oberbürgermeister Klett bei der Eröffnung: „Das Volksfest ist der kategorische Imperativ der Freude. Hier ist der Nabel der Welt.“
1960 „Standen bei den früheren Hauptfesten Fragen der Agrartechnik im Vordergrund, so sind es dieses Mal im verstärkten Maße Fragen der Strukturverbesserung und Marktanpassung“ (Landwirtschaftsminister Eugen Leibfried). Durchführung eines Reit-Fahrturniers. Ehrengast war Theodor Heuss.
1963 Motto: „Der Bauernhof im Kraftfeld des Marktes der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft“. Radrennen um den „Großen Preis des Landwirtschaftlichen Hauptfestes“.
1964 Ehrengäste bei der Eröffnung der Ausstellung „1000-jährige Wengerter“: Innenminister a.D. Fritz Ulrich und Gottlieb Daimlers Tochter Emilie.
1965 Thema: „Bildung und Ausbildung“. Für das Landwirtschaftliche Hauptfest wurde ein 3-Jahres-Turnus mit einer großen landwirtschaftlichen Fachausstellung vereinbart. Die zweite Zentrale Eliteversteigerung für Bullen und Eber (aus 9 Fleckviehzuchtverbänden, 40 Bullen und aus 3 Schweinezuchtverbänden, 35 Jungeber) fand statt. Der Spitzenpreis für Bullen belief sich auch 35.600 DM. Zudem wurden Echolotmessungen bei Ebern durchgeführt.
1968 Thema: „Die Landwirtschaft im Wandel der Zeiten“. Erstmals wurden zuchtwertgeprüfte Bullen ausgestellt. Eine Landesversteigerung für Bullen und Eber fand statt sowie eine Pferdeversteigerung am Samstag. Die Broschüre "Zuchtwertschätzung bei Bullen“ wurde verlegt. Man feierte 150 Jahre Volksfest.
1971 Thema: „Unsere Umwelt – unser Lebensraum". Abermals gab es eine Landesversteigerung Jungbullen und Eber. Die Tagung der Europäischen Vereinigung der Fleckviehzüchter statt. Die Broschüre „Zuchtwertgeprüfte Bullen“ wurde erstellt und die Aktion „Voller Bierkrug“ durch die Verbraucherzentrale wurde durchgeführt.
1974 Das LHF (Landwirtschaftliche HauptFest) ist ausgefallen.
1977 Thema: ,,Grünes Baden-Württemberg: Attraktiv – informativ – produktiv“. Eine Eliteversteigerung für Fleckvieh (FV), Braunvieh (BV), Schwarzbunte (SB), Kühe und Kalbinnen fand statt, sowie die Tagung der Europäischen Vereinigung der Fleckviehzüchter.
1980 Thema: „Fortschritt auf dem Land wird hier stadtbekannt: Unsere Landwirtschaft: qualitäts-, umwelt- und energiebewusst“. Erstmals gab es die Durchführung von Schwerpunkttagen: Schafe (Montag), Schweine (Dienstag), Rinder (Mittwoch), Pferde (Freitag), Reitturnier (am zweiten Wochenende). Diese Schwerpunkttage wurden in ähnlicher Form weitergeführt. Zusätzlich fand die erste Bullenparade mit 73 KB (künstliche Besamung) Bullen statt sowie der zweite Schafschurwettbewerb in der Geschichte des Landwirtschaftlichen Haupfestes.
1983 Thema: „Bäuerlicher Familienbetrieb – bewährt und zukunftsorientiert“. Die zweite Bullenparade mit 65 Bullen von 7 Rassen wurde veranstaltet. Man feierte 75 Jahre Stutbuchzucht in Baden-Württemberg. Die Siegerlisten für die Wettbewerbe wurden erstmals mit EDV erstellt.
1986 Thema: „Unser Land braucht seine Bauern“. Die dritte Bullenparade mit 60 Bullen fand statt. 220.000 Besucher besuchten das Landwirtschaftliche Hauptfest.
1989 Thema: „Mit unseren Bauern in die Zukunft“. Es gab die vierte Bullenparade mit 60 Bullen, einen Tierbeurteilungswettbewerb, einen Tag der besten Pferde (mit 55 Tiere) und eine Broschüre „Tierzucht und tierische Erzeugung in Baden-Württemberg“.
1992 Thema „Starke Bauern – starkes Land“. 231.000 Besucher sahen das Landwirtschaftliche Hauptfest mit der Rindersonderschau zu „40 Jahre Baden-Württemberg“ mit 120 Kühen und Bullen von 15 Rassen.
1995 Thema: „Unsere Bauern – stark für Markt und Umwelt“. Es gab einen Rindertag mit 16 Rassen verschiedener Nutzungsrichtungen sowie eine überarbeitete Auflage der Broschüre „Tierzucht und tierische Erzeugung in Baden-Württemberg“. Parallel fand das 150. Cannstatter Volksfest mit einem großer Festzug statt. Unter dem Titel „… hereinspaziert…“ zeigte das Stadtmuseum Bad Cannstatt „Das Volksfest in der Werbung seit seiner Gründung 1818“. Eine Kranzniederlegung zu Ehren König Wilhelm I. und Königin Katharina wurde durch den Cannstatter Volksfestverein, die Schaustellerverbände und den Landesbauernverband durchgeführt. Mit 244.000 Besucher war es das LWH mit dem größten Besucherzuspruch.
1998 Thema: „Unsere Bauern – Leistung – Qualität – Sicherheit“.
2001 95. Landwirtschaftliches Hauptfest Baden-Württemberg mit dem Thema „Unsere Bauern – Verantwortung für Ernährung und Natur“.
2003 96. Landwirtschaftliches Hauptfest Baden-Württemberg mit dem Motto „Entdeck’ den Bauern in dir“.
2006 97. Landwirtschaftliches Hauptfest Baden-Württemberg mit dem Motto „Entdeck’ den Bauern in dir“.
2010 98. Landwirtschaftliches Hauptfest Baden-Württemberg mit dem Motto „Entdeck’ den Bauern in dir“. Erstmalig gab es eine Landjugendparty mit der Band "Troglauer Buam". Aussteller für die Sonderausstellung "Erneuerbare Energien" wurden generiert. Neben dem Tierzelt gab es eine „Sonderschau Pferd“.
2014 Mit dem Motto "LANDWIRTSCHAFT erLEBEN!" eröffnete das 99. Landwirtschaftliche Hauptfest. Erstmalig wurde hier der Innovationsstall - ein Milchviehstall mit knapp 30 Kühen- ausgestattet mit modernster Technik - präsentiert. Zusäzlich gab es ein abwechslungreiches Programm aus Pferdezucht und Pferdesport im Reitstadion anlässlich des 500-jährigen Bestehen des Haupt- und Landgestüts Marbach, sowie eine Neugestaltung der Halle der Regionen.
2018 Zum 100. Jubiläum präsentierten mehr als 600 Aussteller die ganze Bandbreite der baden-württembergischen Landwirtschaft. Von schlagkräftigen Landmaschinen, modernen Anbau-, Ernte- und Lagertechniken bis hin zu innovativen Ställen für Kuh und Schwein konnten die Besucherinnen und Besucher aus Stadt und Land die Landwirtschaft im wahrsten Sinne des Wortes erleben.